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Schadensprognose (Weibull-Verteilung)

Die Weibull-Verteilung ist ein vielseitiges statistisches Werkzeug, das häufig in der Zuverlässigkeitsanalyse eingesetzt wird, um Schadensverläufe von Produktfehlern im Feld zu prognostizieren. Ihre Stärke liegt in der Fähigkeit, verschiedene Phasen des Produktlebenszyklus und unterschiedliche Ausfallmechanismen abzubilden.

Hier ist eine schrittweise Erläuterung, wie die Weibull-Verteilung für diesen Zweck genutzt werden kann:

Grundlagen der Weibull-Verteilung

Die Weibull-Verteilung wird durch zwei Hauptparameter definiert:

  • Formparameter (β, Beta): Dieser Parameter beschreibt das Ausfallverhalten über die Zeit.
    • β < 1: Frühausfälle (Kinderkrankheiten). Die Ausfallrate nimmt mit der Zeit ab, da fehlerhafte Einheiten früh ausscheiden. Dies kann auf Fertigungs- oder Materialfehler hindeuten.
    • β = 1: Zufallsausfälle. Die Ausfallrate ist konstant. Dies entspricht der Exponentialverteilung und deutet darauf hin, dass Ausfälle unabhängig von der bisherigen Betriebsdauer auftreten.
    • β > 1: Verschleißausfälle. Die Ausfallrate nimmt mit der Zeit zu. Dies ist typisch für Produkte, die altern oder verschleißen. Je höher β, desto schneller tritt der Verschleiß ein.
  • Skalenparameter (η, Eta) oder charakteristische Lebensdauer (T): Dieser Parameter gibt die Zeit an, zu der etwa 63,2% der Einheiten ausgefallen sind. Er streckt oder staucht die Verteilung auf der Zeitachse.

Manchmal wird auch ein dritter Parameter, der Lageparameter (γ, Gamma) oder Ausfallfreie Zeit (t0), verwendet. Dieser repräsentiert eine Zeitspanne, vor der keine Ausfälle erwartet werden. Für viele praktische Anwendungen wird jedoch die zweiparametrige Weibull-Verteilung (mit γ = 0) verwendet.

Schritte zur Prognose von Schadensverläufen

Die Nutzung der Weibull-Verteilung zur Prognose von Schadensverläufen umfasst typischerweise folgende Schritte:

1. Datenerfassung 📊

Sammeln Sie Feldausfalldaten. Diese Daten sollten Informationen über die Betriebszeit bis zum Ausfall (z.B. Stunden, Kilometer, Zyklen) für jedes ausgefallene Produkt enthalten. Wichtig sind auch Informationen über „Suspensions“ oder „rechtszensierte Daten“. Das sind Einheiten, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht ausgefallen sind (z.B. Produkte, die noch im Feld funktionieren oder deren Beobachtung beendet wurde, bevor ein Ausfall eintrat). Die korrekte Behandlung dieser Daten ist entscheidend für eine genaue Analyse.

2. Parameter-Schätzung 📉

Die Weibull-Parameter (β und η) müssen aus den gesammelten Felddaten geschätzt werden. Es gibt verschiedene Methoden hierfür:

  • Grafische Methode (Wahrscheinlichkeitspapier): Ausfallzeiten werden auf speziellem Weibull-Wahrscheinlichkeitspapier aufgetragen. Wenn die Daten einer Weibull-Verteilung folgen, liegen die Punkte annähernd auf einer Geraden. Aus der Steigung und dem Achsenabschnitt dieser Geraden können β und η abgeleitet werden. Diese Methode ist anschaulich, aber weniger präzise als analytische Methoden.
  • Maximum-Likelihood-Schätzung (MLE): Dies ist eine weit verbreitete und oft genaueste Methode. Sie findet die Parameterwerte, die die Wahrscheinlichkeit maximieren, die beobachteten Daten zu erhalten. MLE erfordert in der Regel spezielle Software.
  • Methode der kleinsten Quadrate (Least Squares Estimation, LSE): Hierbei wird eine Gerade an die transformierten Datenpunkte im Wahrscheinlichkeitsnetz angepasst, indem die Summe der quadratischen Abweichungen minimiert wird.

3. Modellvalidierung ✅

Nach der Parameterschätzung ist es wichtig zu prüfen, wie gut die Weibull-Verteilung die tatsächlichen Ausfalldaten beschreibt. Dies kann durch:

  • Visuelle Inspektion des Wahrscheinlichkeitsplots (liegen die Punkte auf einer Geraden?).
  • Goodness-of-Fit-Tests (z.B. Anderson-Darling-Test) erfolgen.

Wenn die Anpassung schlecht ist, könnten andere Verteilungen oder Mischverteilungen (wenn mehrere Ausfallmechanismen vorliegen) in Betracht gezogen werden.

4. Interpretation der Parameter 🧐

Die geschätzten Parameter geben wichtige Einblicke:

  • β zeigt die dominierende Ausfallart an (Frühausfälle, Zufallsausfälle, Verschleißausfälle). Dies hilft, die Ursachen der Fehler zu verstehen und gezielte Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten (z.B. Optimierung der Fertigung bei β < 1, Designänderungen zur Reduzierung von Verschleiß bei β > 1).
  • η gibt die charakteristische Lebensdauer an und dient als Referenzpunkt für die Zuverlässigkeit des Produkts.

5. Prognose zukünftiger Ausfälle 🔮

Mit den geschätzten Parametern kann die Weibull-Verteilung verwendet werden, um verschiedene Prognosen zu erstellen:

  • Ausfallwahrscheinlichkeit F(t): Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Produkt bis zu einem bestimmten Zeitpunkt t ausfällt. F(t)=1−e−(t/η)β
  • Überlebenswahrscheinlichkeit R(t) oder Zuverlässigkeit: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Produkt bis zum Zeitpunkt t noch funktioniert. R(t)=e−(t/η)β
  • Ausfallrate h(t) oder Hazard Rate: Die momentane Ausfallwahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt t, gegeben, dass das Produkt bis t überlebt hat. h(t)=(β/η)∗(t/η)(β−1)
  • Mittlere Restlebensdauer (Mean Time To Failure, MTTF): Die durchschnittliche Lebensdauer der Produkte. Für die Weibull-Verteilung ist dies: MTTF=η⋅Γ(1+1/β) wobei Γ die Gammafunktion ist.
  • Anzahl erwarteter Ausfälle: Für eine gegebene Population von Produkten kann die erwartete Anzahl von Ausfällen in einem zukünftigen Zeitraum prognostiziert werden. Dies ist besonders nützlich für die Garantieplanung, Ersatzteilbevorratung und Serviceeinsatzplanung.

6. Berücksichtigung von Unsicherheiten (Konfidenzintervalle) ⚖️

Da die Parameter aus Stichprobendaten geschätzt werden, sind sie mit Unsicherheiten behaftet. Konfidenzintervalle für die Parameter und die Prognosen geben einen Bereich an, innerhalb dessen die wahren Werte mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit liegen. Dies ist wichtig für eine realistische Risikobewertung.

Vorteile der Weibull-Analyse für Schadensprognosen

  • Flexibilität: Kann verschiedene Ausfallmuster modellieren.
  • Vorhersagekraft: Ermöglicht Prognosen über zukünftige Ausfälle und Zuverlässigkeiten.
  • Ursachenanalyse: Der Formparameter β gibt Hinweise auf die Art der Ausfallmechanismen.
  • Datennutzung: Kann sowohl mit vollständigen als auch mit zensierten Daten umgehen.
  • Managemententscheidungen: Liefert quantitative Grundlagen für Entscheidungen in Bereichen wie Garantie, Wartung, Designverbesserungen und Lagerhaltung.

Die Weibull-Analyse ist somit ein mächtiges Instrument, um aus Felddaten zu lernen und proaktive Maßnahmen zur Verbesserung der Produktzuverlässigkeit und zur Kostenoptimierung zu ergreifen.

App zu Weibull-Analyse bei bereits abgeschätzten Parametern

Definition von Schadensmodi/-stufen: Sie können verschiedene Schadensmodi oder -stufen definieren. Eingabe von Weibull-Parametern: Für jeden Schadensmodus können Sie die Weibull-Parameter eingeben:

  • Formparameter β (beta): Beschreibt die Art des Ausfallverhaltens (z.B. Frühausfälle, Zufallsausfälle, Verschleißausfälle).
  • Skalenparameter η (eta) / charakteristische Lebensdauer: Die Zeit, zu der 63.2% der Einheiten ausgefallen sind.

Definition von Zeitpunkten: Sie legen die Zeitpunkte fest, für die die Prognose erstellt werden soll.

Prognoseberechnung: Die App berechnet die kumulative Ausfallwahrscheinlichkeit (CDF) F(t) für jeden Schadensmodus an jedem Zeitpunkt mittels der Formel: F(t) = 1 - exp(-(t/η)^β). Dieser Wert repräsentiert den Anteil der Einheiten, der bis zum Zeitpunkt t den jeweiligen Schadensmodus erreicht hat.

Visualisierung: Die prognostizierten Verläufe werden als Linien- oder Flächendiagramm dargestellt.

Weibull Schadensprognose App

Weibull Schadensprognose App

Schadensmodi / -stufen

Zeitpunkte für Prognose (t)

Weibull-Verteilung zur Schadensprognose

Die Weibull-Verteilung ist ein vielseitiges statistisches Modell, das häufig zur Analyse von Lebensdauern und zur Vorhersage von Ausfällen oder dem Erreichen bestimmter Schadensstufen verwendet wird.

Die kumulative Verteilungsfunktion (CDF) F(t) gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Ausfall (oder eine Schadensstufe) bis zum Zeitpunkt t eintritt:

F(t) = 1 – e-(t/η)β

  • t: Zeit
  • β (Beta): Formparameter. Bestimmt die Form der Verteilung.
    • β < 1: Früh-Ausfallrate (abnehmende Ausfallrate)
    • β = 1: Konstante Ausfallrate (Exponentialverteilung)
    • β > 1: Verschleiß-Ausfallrate (zunehmende Ausfallrate)
  • η (Eta): Skalenparameter oder charakteristische Lebensdauer. Der Zeitpunkt, zu dem 63,2% der Einheiten ausgefallen sind.
  • e: Eulersche Zahl (ca. 2.71828)

Diese App verwendet die von Ihnen eingegebenen Parameter β und η für jeden Schadensmodus, um den prognostizierten Anteil F(t) über die Zeit zu visualisieren.